08.04.2024

Pflicht zur Barrierefreiheit für Webseiten ab 28. Juni 2025

Infos

Ab Mitte 2025 gilt für Websites und Apps eine gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit. Höchste Zeit, sich schon heute mit dem Thema zu beschäftigen. 

In einer zunehmend digitalisierten Welt wird der Zugang zum Internet für viele Menschen immer wichtiger. Dabei ist es entscheidend, dass Websites für alle Nutzer zugänglich sind, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Einschränkungen. Dieses Prinzip wird als Barrierefreiheit bezeichnet und ist nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern in vielen Ländern auch gesetzlich vorgeschrieben. So auch in Deutschland.

 

Was ist Barrierefreiheit im Web?

Barrierefreiheit im Web bezieht sich darauf, dass Websites und Webanwendungen so gestaltet sind, dass sie von allen Menschen, einschließlich Personen mit Behinderungen, ohne Einschränkungen genutzt werden können. Das betrifft beispielsweise Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen, motorischen Einschränkungen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

Zu den typischen Barrieren, denen Menschen im Web begegnen können, gehören:

  1. Visuelle Barrieren: Hierzu gehören Probleme für Menschen mit Sehbehinderungen, wie zum Beispiel schlechte Farbkontraste oder unzureichende Beschriftungen von Bildern.

  2. Auditive Barrieren: Menschen mit Hörbehinderungen können Schwierigkeiten haben, Audioinhalte zu verstehen, wenn diese nicht durch Transkriptionen oder Untertitel zugänglich gemacht werden.

  3. Motorische Barrieren: Personen mit motorischen Einschränkungen können Schwierigkeiten haben, die Website mit Maus oder Tastatur zu bedienen. Eine unzureichende Tastaturbedienbarkeit kann hier ein Hindernis darstellen.

  4. Kognitive Barrieren: Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen können Schwierigkeiten haben, komplexe Informationen zu verstehen oder sich auf einer Website zu orientieren, wenn die Benutzeroberfläche nicht klar und einfach strukturiert ist.

 

Gesetzliche Anforderungen zur Barrierefreiheit

Nochmal: In Deutschland gibt es ab Mitte 2025 für Websites und Apps eine gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit. Diese regelt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Weitere rechtliche Grundlagen für die Barrierefreiheit von Websites sind das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0). Die BITV 2.0 basiert auf den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und legt konkrete Anforderungen fest, die Websites erfüllen müssen, um barrierefrei zu sein. Es wird also umfangreich und kompliziert.

Zu den Vorgaben aus der BITV 2.0 gehören unter anderem

  • Die Möglichkeit, die Website ohne Maus allein mit der Tastatur zu bedienen.
  • Klare und verständliche Texte sowie alternative Texte für nicht-textbasierte Inhalte wie Bilder.
  • Die Einhaltung von Standards für Farbkontraste, um sicherzustellen, dass die Inhalte auch für Menschen mit Sehbehinderungen gut lesbar sind.
  • Die Bereitstellung von Untertiteln oder Transkriptionen für Audio- und Videoinhalte.

 

Wer ist von den Regelungen zu barrierefreien Webseiten betroffen?

Schon heute gilt: Gemäß dem BGG und der BITV 2.0 sind alle öffentlichen Stellen auf Bundes- und Landesebene verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zugänglich zu machen. Dazu gehören zum Beispiel Websites von Behörden, Schulen, Universitäten und öffentlichen Einrichtungen.

Darüber hinaus müssen auch Unternehmen, die Dienstleistungen für den öffentlichen Sektor erbringen, wie zum Beispiel private Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe oder Versorgungsunternehmen, ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten.

Stichtag für alle anderen ist der 28.06.2025. Ab diesem Tag müssen alle Produkte und Dienstleistungen, die in den Verkehr gebracht werden, barrierefrei sein. Auch die allermeisten Webseiten sind betroffen, allen voran Online-Shops. Aber auch Webseiten mit einem Kontaktformular, Anfrageformularen usw. müssen angepasst werden. Kurz: Jede Website, mit der Geld verdient werden soll, muss barrierefrei sein.

Ausnahmen von der Pflicht zur Barrierefreiheit

Es gibt eine Reihe von Ausnahmen für Unternehmen:

  • Reine B2B-Seiten müssen nicht barrierefrei sein.
  • Webseiten von Kleinunternehmen (unter 10 Mitarbeitern, unter 2 Mio Bilanzsumme) benötigen ebenfalls keine barrierefreie Website.
  • In begründeten Ausnahmefällen kann eine Ausnahme beantragt werden - das ist ein Fall für einen Rechtsanwalt mit entsprechenden Kenntnissen.

 

Welche Strafen drohen bei Nichtbeachtung der Pflicht zur Barrierefreiheit?

Die Nichtbeachtung der gesetzlichen Anforderungen zur Barrierefreiheit kann verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen. Dazu gehören:

  1. Bußgelder: Öffentliche Stellen und Unternehmen, die gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen, können mit Bußgeldern belegt werden. Die Höhe der Bußgelder kann je nach Schwere des Verstoßes variieren.

  2. Schadensersatzforderungen: Personen mit Behinderungen, die aufgrund mangelnder Barrierefreiheit keinen angemessenen Zugang zu digitalen Angeboten haben, können Schadensersatzforderungen geltend machen. Dies kann zu finanziellen Belastungen für das betroffene Unternehmen führen.

  3. Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen: Unternehmen, die keine barrierefreien digitalen Angebote bereitstellen, können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Dies kann zu wirtschaftlichen Einbußen und einem Verlust von Geschäftsmöglichkeiten führen.

 

Umsetzung der Barrierefreiheit

Was bedeutet es nun konkret, eine Website barrierefrei zu machen? Dazu ein paar Beispiele:

Kontrast

Für Menschen mit schlechtem Sehvermögen ist es kritisch, wenn Sie Texte nicht lesen können, weil der Kontrast zum Hintergrund zu schwach ist. Es gibt Vorgaben für das notwendige Kontrast-Verhältnis, die auch von der Schriftgröße abhängen. Man kann nun einfach die Farben anpassen, bis das Kontrastverhältnis passt. Oder einen mit einem Klick erreichbaren Umschalter einbauen, der auf Klick die Kontraste verstärkt.

Animationen

Auf Menschen mit kognitiven Einschränkungen können Animationen störend wirken und zu stark von relevanten Inhalten ablenken. Daher müssen sich automatisch ablaufende Animationen (Videos, Slider) stoppen lassen.

relevante Alternativ-Texte bei Bildern

Blinde Menschen möchten auch wissen, was auf einem Bild zu sehen ist und welchen Zweck es in der Website erfüllt. Ein Screenreader kann (noch) nicht beschreiben, was auf einem Bild zu sehen ist, aber er kann den Alternativ-Text vorlesen. Dazu muss der Alt-Text aber vorhanden und deskriptiv sein - ohnehin eine wichtige SEO-Anforderung. Das gilt auch für Icons und Navigations-Grafiken!

Einhalten der Headline-Struktur

Screenreader orientieren sich an der semantischen Headline-Struktur und bieten dem sehbehinderten Benutzer so eine Übersicht über die Struktur der Website. Nur mit klarer Struktur und aussagekräftigen Headlines kann man schnell über die Website navigieren und die relevanten Informationen finden.

Einfache Sprache - schwieriges Thema

Einfache Sprache kann technisch wie eine zweite Sprach-Variante der Website behandelt werden. Allerdings ist die Umsetzung sehr aufwändig. Auch News und sich ändernde Inhalte müssen immer zusätzlich in einfacher Sprache verfasst und online gestellt werden.

Alternativ gibt es KI Tools, die den Inhalte einer Website in Echtzeit übersetzen. Diese entsprechen oft noch nicht den Anforderungen an einfache Sprache, stellen aber eine große Verbesserung da.

In jedem Fall müssen die wichtigsten Inhalte und Infos zur Funktion der Website in einfacher Sprache ausgegeben werden.

Erklärung zur Barrierefreiheit

Diese Erklärung informiert Besucher der Website darüber, welche Teile der Website bereites barrierefrei sind und welche nicht. Außerdem welche Maßnahmen geplant sind. Die Erklärung zur Barrierefreiheit muss aktuell gehalten werden, mindestens einmal im Jahr ist sie zu erneuern. Zusätzlich muss sie eine Kontaktmöglichkeit bieten, mit der User Barrieren melden können.

Kritisch ist, dass diese Erklärung selbst barrierefrei sein muss. Sie sollte daher auch in einfacher Sprache und in Deutscher Gebärdensprache vorliegen - also auch als Video. 

Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit hat ein sehr hilfreiche FAQ-Seite zum Thema zusammengestellt.

 

Welche Strafen gibt es, wenn die Website nicht barrierefrei ist?

Marktüberwachungsbehörden, z.B. der TÜV, prüfen regelmäßig und automatisiert, ob Webseiten barrierefrei sind. Werden Probleme festgestellt, erfolgt in der Regel eine Aufforderung, die Barrierefreiheit herzustellen. Werden diese Aufforderungen wiederholt ignoriert, kann ein Weiterbetrieb der Website untersagt werden. Zusätzlich können Bußgelder von mehreren tausend Euro erhoben werden.

Eine Marktüberwachungsbehörde kann von sich aus aktiv werden, aber auch durch User oder Verbände zum Handeln aufgefordert werden.

 

Vorteile einer barrierefreien Website

Neue gesetzliche Regelungen, die auch noch hohe Aufwände an Zeit und Geld verursachen, sorgen in der Regel immer für Verdruss. Man kann es jedoch auch anders betrachten, nämlich unabhängig davon, dass es einfach fair und richtig ist, wenn Menschen mit einer Behinderung eine Website ebenso problemlos nutzen können wie alle anderen auch. Denn eine barrierefreie Website bietet auch Voreile für ihren Betreiber.

Suchmaschinenoptimierung

Sehr viele Vorgaben aus der BITV 2.0 lesen sich wie ein Leitfaden zur Suchmaschinenoptimierung: Deskriptive Bildbeschreibungen, beschreibende Link-Texte, klare semantische Headline-Struktur mit aussagekräftigen Texten, keine Broken Links usw. Eine sehr gut für Suchmaschinen optimierte Seite ist ohnehin schon zu einem guten Teil barrierefrei. Und eine bisher nicht barrierefreie Seite gewinnt so im SEO Bereich.

Menschen mit Behinderung sind eine große Zielgruppe

In Deutschland waren Ende 2021 9,4 % der Gesamtbevölkerung schwerbehindert, das sind 7,8 Mio Menschen. Dazu kommen nochmal Menschen mit Einschränkungen, die aber nicht als schwerbehindert registriert sind, z.B. Menschen mit Farbschwäche und leichteren Sehbehinderungen.

Eine barrierefreie Website erreicht also 10% mehr potenzielle Kunden. Wer möchte darauf verzichten?

 

Fazit

Die Pflicht zur Barrierefreiheit für Websites ist nicht nur eine rechtliche Anforderung, sondern auch ein wichtiger Schritt hin zu einer inklusiven und zugänglichen digitalen Gesellschaft. In jedem Fall aber kann es ab Mitte 2025 teuer werden und es ist ratsam, sich schon heute mit dem Thema intensiv zu beschäftigen. Gerne helfen wir dabei und beraten.

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